Es gibt Musik, die braucht nicht viel Showspektakel, um mitten ins Herz zu gehen. Der Auftritt von LP an der Baloise Session in Basel findet in einer vergleichsweise kleinen Kulisse statt: Dan Billingham am Schlagzeug, Brian Stanley am Bass, Adam Tressler an der Gitarre – und dann natürlich sie: diese einzigartige, faszinierende Musikerin aus New York, die viele Jahre grosse Hits für grosse Stars geschrieben hat und jetzt selbst ins Rampenlicht tritt. LP – mit vollem Namen Laura Pergolizzi – füllt sie sonst leere Bühne mit ihrer charaktervollen, aber unaufdringlichen Präsenz. Mit ihrer Präzision für musikalische Feinheit und akustischer Dynamik. Und mit ihrer Wahnsinns-Stimme – im wahrsten Sinne des Wortes – die spielend zwischen sehnsüchtig weich und anklagend Aggressiv bis hin zur schreienden Ekstase oszilliert. Dabei wirkt sie immer kontrolliert und wohldosiert und dennoch leidenschaftlich und authentisch. Mit anderen Worten: Hier ist eine Musikerin am Werk, die ihr Handwerk nicht nur beherrscht, sondern es zur höchsten Kunst verfeinert hat. An der Baloise Session tritt sie unter dem Titel «Indie Chartbreakers» auf. Zu Recht. Denn LP macht nicht nur musikalisch den Eindruck, ein sehr unabhängiger Mensch zu sein, der die Konventionen zwar kennt, aber sich die Freiheit nimmt, bisweilen auch stilvoll darüber hinweg zu gehen. Wer sonst würde in einem ruhigen Popsong wie «Lost On You» plötzlich einen lauten Pfiff einbauen? Bei LP passt es und wirkt souverän. Wie so Vieles, was diese beeindruckende Künstlerin an diesem Abend zeigt: Sie wechselt von der akustischen Gitarre zur Ukulele und bringt damit einen speziellen Sound auf die Bühne. Sie spielt die Mundharmonika wie ein alter Blueser und spielt dennoch ihre eigene Melodie. Und vor allem: Sie redet nicht, sondern macht Musik. Sie weiss: Ihre Fans wollen ihre Lieder hören. Die Kommunikation mit ihnen pflegt sie über Social Media. Zigtausende Facebook-Posts und Tweets sowie über 500 Millionen Streams machen LP zu einer der meist beachteten Künstlerinnen weltweit.

In Basel entsteht trotzdem unegahnt viel Nähe zum Publikum: LP steigt von der Bühne herab und läuft singend durch das staunende Publikum. Hinten im Saal steht ein kleines Podest, auf dem sie eine kurz verweilt, um dann auf einem anderen Weg wieder zurück auf die Bühne zu gelangen. Was für ein Erlebnis, so eine starke Sängerin so hautnah erleben zu können! Vielleicht hat sich LP ja vor einigen Wochen vom stageplanet.ch-Interview inspirieren lassen, in dem ich ihr verriet, dass Grace Jones das vor einigen Jahren ebenfalls gemacht hat? Wie dem auch sei: LP ist ein  Phänomen – oder besser gesagt: eine Phänomenin. Denn LP ist eine Heldin für viele Frauen, die fernab von #metoo und Geschlechterkampf ihre Emotionen ausdrücken wollen. Sie ist ein Sinnbild für Toleranz und Freiheit, Humor und etwas Verrücktheit. Diese Weltsicht widerspiegelt sich auch in der Vielseitigkeit der klug komponierten Songs von LP, die sich an diesem Abend in Basel wie Perlen an einer Kette aneinanderreihen. Das neue Repertoire fügt sich dabei perfekt ins bestehende ein. Viel zu schnell ist die Setlist mit den 17 Liedern vorbei. Danke, LP, für ein ganz besonderes Konzerterlebnis!