PLATTE DER WOCHE:
Justin Timberlake – Man Of The Woods
Wie die ganze Welt splittert sich auch die Musikbranche immer mehr in Genres und Untergenres aus, die jeweils einer hochspezialisierten Zielgruppe speziellen Hörgenuss bereiten, für Aussenstehende jedoch kaum noch wahrnehmbar – geschweige denn verständlich – sind. Die Folge: Jeder hört nur noch seinen eigenen Geschmack und weiss gar nicht, dass es ausserhalb davon auch noch spannenden, innovativen Sound gibt. Darum ist es umso wichtiger, dass es sie noch gibt: die Crossover-Künstler, die einerseits das musikalische Ohr an den Trends haben und es verstehen, diese zu verbinden und in eine allgemein verständliche Popformel zu packen. Madonna und Michael Jackson gehörten früher dazu. Heute ist es Justin Timberlake. Sein neues Album enthält 16 Tracks, die auf clevere, qualitativ hochwertige und vor allem auch sehr unterhaltsame Art Stile wie Hip-Hop mit Dubstep, Reggae, Big Beat, Electro, Dance, Funk, Soul, und Jazz verbindet. Allen gemein: Klare Songstrukturen und eingängige Hooklines – so wie es im Pop üblich ist. Das ist keineswegs abwertend gemeint. Im Gegenteil: Es ist ein grosses Kompliment. Denn es braucht Mut und ein souveränes Selbstverständnis, in unserer Zeit der überbordenden Extravaganzen sich als Künstler zur vermeintlich banalen Unterhaltung des gemeinen Volkes zu bekennen. Justin Timberlake tut dies mit sicherem Gespür für Themen und Melodien und schafft es dabei, mit seinem charakteristischen Gesang und klug arrangierten Chorsätzen einen unvergesslichen Stil zu definieren. Besonders spannend dabei ist, zu verfolgen, wie schlicht und filigran das Arrangement seiner Musik gelingt. So reduziert wie der ganze Auftritt des neuen Albums. Dieses verführt zum «Durchhören» der 16 Tracks, die in Tempo und Stil stark variieren. So findet Justin Timberlake zu einer alten Kunst zurück, die immer mehr in Vergessenheit zu geraten drohte: Den Zuhörer dazu zu bringen, sich einem Musikalbum als künstlerische Ganzheit auseinanderzusetzen. Bei «Man Of The Woods» eine sich lohnende Investition.
Zeno van Essel